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10 Jahre Amigonianer Soziale Werke e.V.

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Es ist laut, Kinder schreien und lachen, das Ping-Pong der Tischtennisplatte wird nur noch vom Torjubel am Kicker übertönt: „Jaaaa, 6:3!“ Der Jugendtreff der Ordensgemeinschaft der Amigonianer ist aus dem Stadtteil Feldmark nicht mehr wegzudenken. Um die Arbeit auf ein solideres Fundament zu stellen, wurde vor zehn Jahren der Verein Amigonianer soziale Werke (ASW) gegründet.

Optisch gibt die rechteckige Holzhütte des Jugendtreffs nicht allzu viel her, aber im Innern pulsiert das Leben. Seit mehr als 30 Jahren treffen sich hier Kinder und Jugendliche aus „sozial belasteten Lebensräumen“, wie sie gerade im nördlichen Ruhrgebiet immer häufiger vorkommen. „Wir sind oft der einzige Anlaufpunkt jenseits von Schule und Sportverein sagt Katja Schrader, die den Jugendtreff leitet.

Als eine von zehn hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, die an den beiden Standorten Feldmark und Schalke tätig sind, weiß sie, wie wichtig die Arbeit vor Ort ist: „Wir sind nicht nur Treffpunkt für die Kinder, wir unterstützen sie auch bei den alltäglichen Problemen in Schule, Alltag und Familie.“ Seit Gründung des ASW werden die Entscheidungen nicht mehr allein von den Ordensbrüdern getroffen, mehrere weltliche Ehrenamtliche aus den Bereichen Finanzen, Pädagogik und Sozialarbeit ergänzen den Vereinsvorstand, der zudem von einem Kuratorium beraten wird.

„Wir hatten irgendwann das Problem, dass nicht mehr genügend Ordensbrüder nachkamen und waren froh, dass neue Mitarbeiter*innen und Ehrenamtliche uns unterstützt haben“, sagt Pater Ralf Winterberg, der als erster Vorsitzender die Geschicke der Amigonianer in Gelsenkirchen leitet. Anfangs habe es das Problem gegeben, dass die externen Mitarbeitenden rechtlich und finanziell wie Ordensbrüder behandelt wurden, das konnte durch die Vereinsgründung geändert werden. Jetzt sei man ein Arbeitgeber wie jeder andere, der allerdings die Werte der Amigonianer weiterhin in den Mittelpunkt der Arbeit stellt.

Diese Werte gehen auf den Ordensgründer Luis Amigo (1854-1934) zurück und werden wie folgt beschrieben: „Amigo heißt Freund: Wir reichen Kindern und Jugendlichen, deren Leben nicht ganz glatt läuft, die Ecken und Kanten haben und einen rauen Weg gehen, die Hand. Ausgehend vom christlichen Menschenbild und in enger Vernetzung mit anderen Trägern engagieren wir uns für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien, insbesondere in sozial belasteten Lebensräumen.“

Zu den Leitlinien gehört auch die Offenheit gegenüber Menschen unterschiedlicher Herkunft: „Kinder, Jugendliche, Mädchen und Jungs, Muslime, Christen und Nichtgläubige spielen miteinander, unterstützen sich den Hausarbeiten und lernen auch Konflikte auszutragen“, sagt Katja Schrader. Auch für sie war das christliche und soziale Selbstverständnis, wie es die Amigonianer verkörpern, ein ausschlaggebender Punkt, sich auf die Stelle zu bewerben. Eine Überzeugung, die alle Mitarbeiter*innen eint.

Seit 2018 arbeitet Ozughan Inci als Arbeitspädagoge im Jugendhaus Eintracht in Schalke. Der 39-Jährige war schon als Kind und Jugendlicher regelmäßig Gast im Jugendtreff in der Feldmark. „Damals war das für mich der wichtigste Anlaufpunkte für meine Probleme, aber auch ein Ort, an dem ich meine Freunde treffen konnte“, sagt er. Die Offenheit der Amigonianer habe ihn schnell beeindruckt, vor allem war es ungewöhnlich, dass er als Muslim von Mitarbeitern an die Hand genommen wurde, die einen christlichen Background haben. „Die Erfahrung war neu für mich.“

Schnell war für ihn klar, dass er etwas Ähnliches machen wollte, trotzdem hat er zunächst eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker gemacht: „Ich wollte Geld verdienen, um auf meinen eigenen Beinen zu stehen.“ Als der Betrieb vor fünf Jahren dichtgemacht hat, kamen die Mitarbeiter*innen des ASW auf ihn zu und haben gefragt, ob er nicht bei ihnen mitmachen wolle. Über ein Praktikum hat er dann einen Ausbildungsplatz bekommen und seinen Abschluss zum Arbeitspädagogen gemacht.

Seitdem arbeitet er morgens im Schülertreff der Hauptschule an der Grillostraße und kümmert sich um Jugendliche, die gerade Stress zu Hause oder in der Schule haben oder einfach nur reden wollen. Nachmittags hilft er ihnen im Jugendtreff bei den Hausarbeiten. Neben den Hauptamtlichen lebt die Arbeit in den Jugendtreffs sehr stark vom Ehrenamt: Rund ein Dutzend Mütter und andere Erwachsene opfern ihre Freizeit, um den jungen Menschen zu helfen. Wobei opfern der falsche Ausdruck ist: Sie machen es, weil es ihnen Spaß macht und weil sie davon überzeugt sind, etwas Gutes zu tun. Manche wollen auch „etwas von dem zurückgeben“, was sie selbst erlebt haben.

Wie etwa Tine Jashari: Die vierfache Mutter betreut Kinder bei den Hausaufgaben, kocht und bastelt mit ihnen und hört zu, wenn sie Sorgen haben. Schon als Siebenjährige war sie hier. „Ich brauchte damals Hilfe, als ich Probleme in der Schule hatte“, sagt sie. Mittlerweile hat sie die Seiten gewechselt und betreut selbst Kinder, die Unterstützung benötigen. „Es ist mein zweites Zuhause geworden“, sagt sie – und auch das ihrer eigenen Kinder, die ebenfalls hier hinkommen. „Da ist besonders schön und bestätigt mich in meiner Arbeit.“

Eine Arbeit, die sichtbar Spaß macht und angenommen wird. Schon am frühen Nachmittag, nach Schulschluss, stehen die Tornister aufgereiht vor dem Eingang – als Platzhalter. Jedes Kind möchte sich so einen Platz in der Nachhilfegruppe sichern, um nicht zu lange warten zu müssen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Khadija ist eine von ihnen: Malen und Basteln gefallen der Zehnjährigen besonders, nur kochen findet sie nicht so toll. Warum? Sie zuckt mit den Schultern und sagt: „Ich esse lieber und räume hinterher auf“. Auch Khadija hat hier jede Menge neuer Kinder kennengelernt, auch ihre besten Freundinnen.

Das Ganze ist nicht ohne die Zusammenarbeit mit Schulen und den Elternhäusern möglich. Mit der Gesamtschule Gelsenkirchen Horst und der Hauptschule Grillostraße gibt es feste Kooperationen; sie organisieren gemeinsamen Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler, deren Versetzung oder Abschluss gefährdet ist. Und wie gut diese Arbeit ist, zeigt sich auch daran: Alle Kids, die im Jugendtreff und Jugendhaus Eintracht kostenlosen Nachhilfeunterricht erhalten haben, wurden im letzten Schuljahr versetzt.

Die Kooperation mit den Schulen ist auch aus psychologischen Gründen wichtig. „Wir kommen in die Schule nicht als Lehrer und nicht als Elternteil, sondern als Freunde und Ansprechpartner jenseits der Institutionen“, sagt Pater Ralf. „Wir verstehen uns aber nicht als Konkurrenten, sondern als Ergänzung zur Schule.“ Dadurch, dass man sich außerhalb des schulischen Komplexes bewege, sei der Zugang zu den Kindern und Jugendlichen leichter. „Sie sprechen offener über ihre Probleme“, so Pater Ralf.

Auch Sami ist sich sicher, dass er die Schule ohne den ASW nicht so erfolgreich absolviert hätte. „Die Betreuerinnen haben mir auch geholfen, als es mal nicht so lief“ sagt er. Aktuell geht er in die 11. Klasse und hofft, im nächsten Jahr sein Abitur zu machen. Für den 16-Jährigen ist der Jugendtreff, wie für viele andere auch, ein zweites Wohnzimmer geworden. Seit er sieben ist, kommt er hierhin und freut sich darüber, Spiele zu spielen, mit seinen Freunden und den Betreuer*innen zu quatschen und sie an seinen Zukunftsplänen teilhaben zu lassen.

Die tägliche Arbeit wäre ohne öffentliche Unterstützung nicht möglich. Zu den wichtigsten Geldgebern gehört die Stadt Gelsenkirchen. Der Jugendtreff des ASW in Feldmark wird im Rahmen der Regelförderung unterstützt. Für das Jugendhaus Eintracht in Schalke gibt es aktuell Ad-hoc-Förderung, die jährlich neu beantragt werden muss. „Wir sind dafür extrem dankbar, denn ohne diese Gelder könnten wir die vielen Kinder und Jugendlichen nicht in dem Umfang betreuen“, sagt Pater Ralf. Und auch ohne die Gründung des ASW vor zehn Jahren wäre es kaum möglich gewesen, den Kindern und Jugendlichen in Gelsenkirchen ein zweites Zuhause und eine Perspektive für die Zukunft zu geben.